Die Thulbaer Bogenschützin glänzt phasenweise bei Ihrer ersten deutschen Meisterschaft
„Bayerische Dominanz in Berlin“ – diesen Satz liest man meist nur nachdem der FC Bayern München ein Fußballspiel bei Hertha BSC bestritten hat. Aber auch bei der diesjährigen deutschen Meisterschaft der Bogenschützen in der Halle gaben die bayerischen Schützen in der olympischen Disziplin Recurvebogen den Ton an.
In nahezu jeder Altersklasse wurde der Sieger vom Bayerischen Sportschützenbund (BSSB) gestellt. So auch in der Altersklasse Schüler A (weiblich), in der erstmals die Thulbaer Schützin Lea Kippes antrat. Nach Ihrem sehr starken und gleichzeitig dramatischen 3. Platz bei der bayerischen Meisterschaft in München (wir berichteten), qualifizierte sie sich folgerichtig für die große nationale Bühne. Gemeinsam mit Mutter Kerstin und Trainer Christopher Meindl reiste man bereits am Vortag an, um die Lokalitäten zu besichtigen und sich ein Bild von der Sportstätte zu machen. Die direkt am Berliner Olympiastadion gelegene Bogenhalle bot an 3 Tagen für jeweils ca 140 Schützen und bis zu 600 Zuschauer Platz.
Um die aufkommende Nervosität etwas abzulegen, wurde dann noch Berlin mit all seinen Touristenattraktionen erkundet und schließlich als Geburtstagsgeschenk beim Sternekoch The Duc Ngo Sushi gegessen.
Am Sonntagmorgen startete der sportliche Wettkampf, welcher sich wie im Vorfeld abgezeichnet als unfassbar enger Kampf um die Medaillen entpuppen sollte. Zusätzliche Brisanz bot das Duell auf Scheibe 23, auf welche Lea schoss. Mit ihr auf die gleiche Scheibe zielte Jana Taier aus Tachtering, eben jene Schützin, welche in München ringgleich den zweiten Platz vor Lea belegen konnte. Und nur wenige Meter weiter rechts ging mit Beryll Frankenberger die bayerische Meisterin und Favoritin für diesen Wettbewerb an den Start. Nach erfolgreichem Einschießen flammte die Aufregung vor dem ersten Wertungspfeil bei einer nationalen Meisterschaft auf und er erste Pfeil flog in den blauen Zielbereich der Bogenscheibe. Diese 6 (von maximal 10 Ringen) war natürlich ein suboptimaler Start, von diesem Ausreißer lies sich die gerade erst 14 gewordene Schützin allerdings nicht verunsichern, sondern zeigte mentale Stärke und beende den ersten Durchgang mit starken 274 von 300 Ringen auf Platz 6.
Der Spruch „der Pokal hat seine eigenen Gesetze“, den jeder Fußballliebhaber schon dutzende Male gehört hat, trifft auf die Deutschen Meisterschaften im Bogenschießen ebenso zu. So strauchelten manche Schützinnen mit der Anspannung und dem Druck, so auch die favorisierte Beryll aus Fürstenfeldbrück. Zur Halbzeit lag diese mit 1 Ring Rückstand auf Platz 7, während Jana Taier auf Platz 5 mit nur 1 Ring Vorsprung das bayerische Spitzentrio anführte.
Der Halbzeitstand war an Spannung kaum zu überbieten, so trennten Platz 1 bis Platz 11 gerade einmal 8 Ringe.
Nach der Halbzeitpause starten die Schützen via Kaltstart (also ohne Probepfeile) in die zweiten 30 Pfeile. Lea startete mit 2 perfekten Zehnern, um den 3 Pfeil durch einen technischen Fehler tief in die Vier zu setzen. Dieser erneut schlechte Start in den ersten 3 Pfeilen einer Halbzeit, brach kurz die Konzentration der 14-jährigen und eine Pause wegen kaputten Ergebnisterminals half nicht dabei, schnell wieder in einen Rhythmus zu gelangen. In dieser Phase musste Lea etwas abreißen lassen, da auch die 10 schlichtweg nicht mehr fallen wollte. Bei noch 12 ausstehenden Schuss rangierte Lea auf Platz 11, die Medaillenplätze waren gefühlt hier schon außerhalb der Reichweite, während an der Spitze sich zu diesem Zeitpunkt 4 Personen ringgleich den ersten Platz teilten.
Es folgte eine motivierende Ansprache von Trainer Christopher Meindl, welcher nochmals an korrekte Lösetechnik erinnerte und Lea mitgab jetzt Spaß zu haben und Ihre erste Deutsche Meisterschaft einfach zu genießen. „Gesagt, getan, ich konnte meinen Augen nicht glauben, was dann geschah“, so der begeisterte Trainer, welcher von der Tribüne beobachten durfte, wie Lea einen perfekten 10er nach dem anderen Schoss. Mutter Kerstin hatte zwischenzeitlich kurz Sorgen um die Pfeile Ihrer Tochter. „Die schießt ja alles perfekt in die Mitte, nicht dass sie noch die Pfeile aufeinander schießt“, so die Mutter voller Euphorie.
Dieser Robin-Hood-Schuss gelang Lea zwar nicht aber Sie schoss 117 von 120 möglichen Ringen zum Abschluss und somit den besten Schlussspurt aller Akteure. Durch diesen famosen Auftritt kletterte sie am Ende wieder bis auf Platz 7 hoch und durfte eine einstellige Platzierung feiern. Selbst dass die favorisierte Kontrahentin Beryll Frankenberger einen Ring und einen Platz vor Lea landete konnte die gute Laune nicht verderben.
Am meisten freuen durfte sich die dritte bayerische Schützin. Jana Taier schoss einen sehr guten zweiten Durchgang und konnte zum Schluss mit Lea’s Spitzenklasse mithalten. Die beiden Schützinnen verstanden sich nicht nur zwischenmenschlich sehr gut trotz aller Konkurrenz, sondern spornten sich gegenseitig zu Bestleistungen an. „Die letzten 12 Pfeile von Jana und Lea auf Scheibe 23 waren die besten, welche ich im Schülerbereich jemals gesehen habe“, waren sich sowohl Christopher Meindl als auch der Tachtertinger Trainer einig.
Am Ende durfte Lea der bayerischen Konkurrentin zum wohlverdienten deutschen Meistertitel gratulieren.
Christopher Meindl bilanzierte am Ende stolz: „Wir haben uns um 9 Ringe im Vergleich zur bayerischen Meisterschaft gesteigert, eine super Platzierung erreicht, und Moral gezeigt als etwas die Luft raus war. Diese 12 letzten Schuss waren pure Extraklasse und zeugen von einer mentalen Stärke, die man bei einer Gerade-erst-14-Jährigen so selten findet. Am Ende entscheiden 2 individuelle Fehler, ohne die ein Platz auf dem Treppchen absolut verdient gewesen wäre. Aber auf diesem Topniveau wird das eben bestraft.“
Nun folgen 2 Wochen Schießpause, um dann ausgeruht in die nächste Saisonphase zu gehen. Mit der FITA, dem olympischen Bogenschießen im Freien, steht die wohl schwierigste Disziplin in den Startlöchern. Und hier waren die Top3 Bayerns sich einig: „Das wird auf der bayerischen Meisterschaft und dann hoffentlich auf der deutschen Meisterschaft in Wiesbaden, erneut ein hochklassiger Wettkampf an dem einzig und alleine die Tagesform entscheidet.“